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Iranische Bombengeschäfte | 2

Das ist nicht nur ökonomisch, sondern politisch relevant. Denn die Stiftungen bilden das Rückgrat einer Parallelwirtschaft, in die Regierung und Gesellschaft keinen Einblick haben. Die Bonyads erstellen keine Rechenschaftsberichte, ihre Bücher werden nicht geprüft, sie geben keine Auskunft über die Verwendung ihrer Einnahmen und waren bis vor kurzem nicht einmal steuerpflichtig. Die Stiftungen unterstehen direkt und ausschließlich dem Revolutionsführer Khamenei. Das konservative Netzwerk um Khamenei – das auch persönlich, etwa über verwandtschaftliche Beziehungen, eng mit den Bonyads verbunden ist – verfügt so über ein Schattenbudget, mit dem es an der Regierung vorbei Politik machen kann. Das reicht vom Transport linientreuer Demonstranten zu Massenkundgebungen nach Teheran bis hin zur Finanzierung der libanesischen Hisbollah, ohne dass Regierung und Parlament darüber irgendeine Form der Kontrolle ausüben oder auch nur über die Aktivitäten im Bilde sind.

Die von den Hardlinern kontrollierten Stiftungen sind auch auf dem Feld der internationalen Beziehungen aktiv: als Vehikel einer Schatten-Außenpolitik, die der Regierungslinie Konkurrenz macht. So wurde das Kopfgeld auf den Autor Salman Rushdie von einer Stiftung ausgelobt – und mehrmals ostentativ erhöht, als sich Rafsandschani, damals Präsident, und nach ihm Khatami um eine Annäherung an den Westen bemühten. Stiftungsgelder unterstützen die Familien gefallener palästinensischer Kämpfer und Selbstmordattentäter. Die Bonyads werden darüber hinaus mit der Finanzierung verschiedener schiitischer Terrorgruppen in Verbindung gebracht, jedoch ohne dass es bisher gelungen wäre, ihnen diese Verbindungen eindeutig nachzuweisen.

Gut versorgt mit Geldern aus den Kassen der Stiftungen, verfügen die Verfechter der harten Linie über eine parallele Machtstruktur unter ihrer exklusiven Kontrolle. Zur Finanzierung dieses Systems trägt jedoch auch noch eine andere mächtige Institution im wirtschaftlichen und politischen Leben Irans bei: der Basar. Dass die Allianz von Basar und Moschee zu einer tragenden Säule für die Herrschaft der Geistlichen geworden ist, gehört zu den unfreiwilligen Hinterlassenschaften des Schahs. Sein Versuch, das Land zwangsweise zu modernisieren und für ausländische Firmen zu öffnen, gefährdete die Position der Basarhändler, die bis dahin den Handel monopolisiert hatten. Sie unterstützten deshalb den Widerstand gegen den Schah, der von den Moscheen ausging. In den Jahren nach der Islamischen Revolution entwickelte sich daraus ein trautes Geben und Nehmen, bei dem die Mullahs im Regime von Spendengeldern profitierten, während sie im Gegenzug einträgliche Privilegien wie z.B. den Zugang zu subventionierten Devisen an die Basarhändler vergaben.

Mit gutem Grund verstehen sich daher die Traditionalisten als Sachwalter ihrer wirtschaftlichen Partner aus dem Basar. Sie laufen Sturm, wenn die Reformer im Iran sich daran machen, das Land für ausländische Firmen zu öffnen wie einst der Schah. Zugleich bedroht die Integration des Iran in den globalen Markt die lukrativen Produktions-Monopole der Bonyads. Wenn aus dem Ausland wettbewerbsfähige Konkurrenz auf den Markt drängt und die Gewinne der Stiftungen einbrechen, wird das in Kreisen der Hardliner, im Zentrum der Macht, schmerzhaft in der Kriegskasse zu spüren sein – und wohl auch im privaten Portemonnaie.

Mittendrin statt nur dabei

Das bleibt nicht ohne Folgen für die europäischen Versuche, den Iran von der Urananreicherung abzuhalten. Während die wirtschaftliche Öffnung des Landes und ein stärkeres Engagement ausländischer Firmen aus Sicht der Modernisierer willkommen sein mögen, rufen sie den erbitterten Widerstand der Hardliner auf den Plan. Deren Interesse beschränkt sich auf den bloßen Austausch von Waren, solange das die Strukturen im Iran nicht beeinträchtigt und die bestehenden Monopole am Zwischenhandel kräftig verdienen können. Vorschläge wie die Förderung des iranischen Beitritts zur WTO bedrohen dagegen die materielle Basis der alten Garde des Regimes.

Die Europäer stehen deshalb vor der Wahl, mit eng gefassten Handelsabkommen die wirtschaftlichen Interessen der Hardliner zu bedienen – und damit den antidemokratischen Kräften die Kassen zu füllen – oder eine echte Öffnung der iranischen Wirtschaft anzustreben, wie es die Modernisierer wünschen. Um das iranische Nuklearprogramm zu stoppen, sind beide Wege denkbar. Den Reformkräften ist die internationale Integration Irans und die wirtschaftliche Zusammenarbeit wichtiger als der Aufstieg zur Atommacht. Diese Kräfte zu stärken – derzeit bedeutet das, auf Politiker wie Rafsandschani und die Pragmatiker im Lager der Konservativen zu setzen –, kann deshalb langfristig sinnvoll sein. Auf der anderen Seite kann kein Zweifel daran bestehen, dass aktuell nur die Hardliner in der Atomfrage das Sagen haben. Solange die Islamische Republik in ihrer derzeitigen Form besteht, gibt es einen Nukleardeal nur mit ihnen. Da könnte ein Kuhhandel winken: Denn Profite aus dem Außenhandel, die von Bonyads und Basar abgeschöpft werden können, fließen in die Netzwerke der Hardliner weiter und stabilisieren ihren informellen Zugriff auf die Macht.

Zwischen diesen konkurrierenden Strategien haben sich die Europäer auf ihre Weise entschieden: Sie haben beide Varianten ins Portfolio genommen und lassen die Wahl dem Iran. Im Bauchladen der EU-Verhandlungsführer finden sich Handelsabkommen und WTO-Beitritt einträchtig nebeneinander. Dank dieses ambivalenten Angebots dürfen sie den inneriranischen Machtkampf nun direkt am Verhandlungstisch besichtigen. In einem wilden Schlingerkurs wechseln sich Drohungen aus Teheran, die Urananreicherung in Kürze wieder aufzunehmen, mit Beschwörungen des gemeinsamen Friedenswillens und Fristverlängerungen für die Gespräche ab.

Die europäischen Unterhändler haben nicht nur die Nuklearfrage mit dem heißen Eisen der Wirtschaftspolitik verknüpft. Sie versuchen sich darin, die Reformkräfte und zur selben Zeit die Hardliner zu stärken. Zur Lösung der Nuklearfrage trägt das nicht bei, aber im Grabenkrieg der iranischen Fraktionen sichert es den Europäern einen Platz mit bester Sicht: nämlich zwischen den Fronten.

Erschienen in den Blättern für deutsche und internationale Politik 9/05

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